Sie haben sich Inklusion zur Lebensaufgabe gemacht: Die Gründer der Initiative Rosen-Resli vermitteln seit acht Jahren Kunst an Menschen mit Demenz. Eine schwierige Aufgabe, die aber erstaunlich positive Effekte hat.
Museen sind bei der Vermittlung von Kultur an Menschen mit Demenz die 
Königsdisziplin. Dort können die Betroffenen kommunizieren, können 
mitmachen, etwas tun. Viele Kunstschaffende denken ja, diese Menschen 
könnten gar nichts mehr und seien vollkommen passiv. Das haben wir 
anfangs auch gedacht, wurden aber schnell eines Besseren belehrt.
Inwiefern?
Bei vielen Demenzkranken sind das Gehirn und der Verstand 
beeinträchtigt. Die Emotionen sind aber noch voll da. Die Gefühle kommen
 unkontrolliert, ohne dass der Verstand vorher eingeschaltet wird. Da 
ist eine Sperre weg – positiv wie negativ. Deshalb haben die Menschen 
auch einen unmittelbaren Zugang zur Kunst. 
Da treten sicher spannende Dinge zutage?
Als meine Mutter noch gelebt hat, waren wir mit ihr und einer Gruppe 
von Dementen in der Staatsgalerie und saßen im Kreis um die Skulptur 
„Der gefallene Mann“ von Wilhelm Lehmbruck. Dabei handelt es sich um die
 lebensgroße Statue eines Mannes, der in gebückter Haltung über den 
Boden kriecht. Und dann kam eine ganz spontane Reaktion von meiner 
Mutter, die sagte: Der hat aber einen schönen knackigen Hintern! (lacht) 
Das kam in der Tat unverhofft.
Sie sehen: Es geht dabei nicht um kunsthistorische Betrachtungsweisen, 
sondern es geht darum, Geschichten zu erzählen. Das Beispiel täuscht 
allerdings ein wenig darüber hinweg: Alles in allem ist die 
Kulturvermittlung für Menschen mit Demenz eine schwierige Aufgabe. Aber 
wir wollen den Menschen die Chance geben, sich mit Kultur zu 
beschäftigen. Und die finden das toll, gerade weil es über Gefühle 
funktioniert. 
Gibt es dabei auch traurige Momente?
Als ich mal mit einer Betroffenen durch ein Museum ging, war sie 
plötzlich von einem Bild völlig gefangen. Es zeigte eine Szene in den 
Bergen, und die Frau fing auf einmal an, von ihrem Mann zu erzählen – 
offensichtlich war sie mit ihm früher viel in den Bergen unterwegs. 
Allerdings war er schon gestorben, weswegen sie anfing zu weinen. Auch 
solche Reaktionen kann die Kunst auslösen. 
Wie gehen Sie mit solchen Situationen um?
Deshalb wird jeder Besucher bei uns immer von einer ausgebildeten Kraft
 begleitet – von uns Co-Pilot genannt. Die wissen, wie am besten mit 
solchen Situationen umzugehen ist. Außerdem achten wir darauf, dass die 
Gruppen immer so zwischen sechs bis acht Teilnehmer haben, die jeweils 
individuell betreut werden. 
Sie waren mit die Ersten in Deutschland, die Menschen mit Demenz und 
Kultur überhaupt erst zusammengebracht haben. Woher wussten Sie, ob und 
wie das überhaupt funktioniert?
Wir sind über einen Artikel in einer Kunstzeitschrift auf Dr. John 
Zeisel gestoßen. Er arbeitet als Dozent an namhaften Universitäten in 
den USA und war im Jahr 2006 ein Pionier in der Kunstvermittlung für 
Menschen mit Demenz. Das hat uns begeistert. Wir haben ihn kontaktiert,
 und ein paar Tage später hat er uns in Stuttgart besucht. 
Sie haben sich also fachliche Hilfe geholt?
Das war auch gut so. Zeisel hat uns beispielsweise gelehrt, dass diese
 besondere Art der Kunstvermittlung nur im Museum funktioniert. 
http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.demenz-kunstwerke-bieten-eine-geschichte-an.7da8ec45-8403-411b-99a7-c93bc4be0701.html
 
 
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