Demenzkranke wollen respektiert und gemocht werden. Wie alle anderen Menschen auch
Karoline Amon im Gespräch mit Prof. Dr. Joachim Bauer.
chrismon: Sollten Menschen zum Arzt gehen, wenn sie das Gefühl haben, vergesslicher zu werden?
Prof. Dr. Joachim Bauer: Nein.
Die Neigung zur Vergesslichkeit nimmt bei fast allen Menschen über 50
etwas zu. Die häufigste Ursache ist, auch bei Jüngeren, Alltagsstress.
Wenn aber tatsächlich Anzeichen für eine über Wochen oder Monate
anhaltende, deutliche Störung der geistigen Leistungsfähigkeit
vorliegen, sollte man das klären. Wichtig ist vor allem, herauszufinden,
ob vielleicht ein Vitamin-B-Mangel vorliegt, eine Funktionsstörung der
Schilddrüse oder eine Depression – diese Störungen wären gut
behandelbar. Man sollte sich nicht verrückt machen. Besonders schlimm
ist, wenn ältere Menschen, denen ein Fehler unterlaufen ist, von ihren
Angehörigen mit der Angst vor Alzheimer traktiert werden.
Wenn sich die Vermutung bestätigt – was hilft einem die Diagnose?
In der Frühphase einer Alzheimerkrankheit bringt sie nur Nachteile: Der
Patient wird stigmatisiert und erhält nebenwirkungsreiche
Medikamente, deren positive Effekte von der Pharmaindustrie und vielen
Ärzten übertrieben dargestellt werden. Den Erkrankungsverlauf scheinen
sie aber nicht wesentlich aufzuhalten.
Gibt es denn Medikamente, die ein Fortschreiten der Krankheit verzögern?
Von einigen Mitteln wird behauptet, sie verzögerten den Erkrankungsverlauf um etwa sechs Monate. Aufgrund meiner eigenen Beobachtungen an Patienten, die diese Mittel nahmen, fällt es mir schwer, an diesen Effekt zu glauben.
Würden Sie Patienten raten, an einer medizinischen Studie teilzunehmen?
Derzeit gibt es in der Forschung keine Substanzen, von denen ich mir
eine Wirksamkeit versprechen würde. Sinnvoll fände ich zu erforschen,
inwieweit eine Veränderung des Lebensstils den Verlauf abbremsen kann.
Ich denke vor allem an gesunde, vitaminreiche Ernährung, an Sport und an
eine soziale Aktivierung der Patienten. Alzheimerkranke sollten nicht
isoliert leben, sondern gemeinsam mit anderen spielen, singen, wandern.
Weiter auf:
http://chrismon.evangelisch.de/artikel/2015/zuwendung-ohne-bevormundung-30837
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